Entstanden aus einer Idee
Die Idee zur Gründung erster genossenschaftlich geprägter Organisationen wurde buchstäblich aus der Not heraus geboren. Im Verlauf der Industriellen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts gerieten viele Bauern und kleine Handwerksbetriebe in finanzielle Notlagen. Diese Entwicklung war eng verknüpft mit den negativen Auswirkungen der Bauernbefreiung und der Einführung der Gewerbefreiheit. Während der Reform entstanden neue Strukturen, die die Besitzverhältnisse zugunsten der kleinen Leute verbessern sollten. In der Realität verschlechterte sich aber die Lage der Bauern spürbar. Sie wurden durch Abfindungszahlungen an ehemalige Gutsherren belastet und waren unerfahren in der eigenverantwortlichen Führung eines Betriebes. Missernten und Hungersnöte in den Jahren 1846/47 verschlimmerten die Situation zusätzlich. Unter der Umstrukturierung litten aber auch die Handwerksbetriebe, da der Zugang zu Bankdienstleistungen fehlte und sie auf private Geldverleiher angewiesen waren. Sie verschuldeten sich immer mehr und verloren oftmals ihre wirtschaftliche Existenz. 1847 rief Friedrich Wilhelm Raiffeisen in Weyerbusch (Westerwald) den ersten Hilfsverein zur Unterstützung der Not leidenden ländlichen Bevölkerung ins Leben. Er gründete schließlich 1864 den »Heddesdorfer Darlehnskassenverein«, der heute als erste Genossenschaft im Raiffeisenschen Sinne gilt.
Unabhängig von Raiffeisen rief Hermann Schulze in Delitzsch zeitgleich eine Hilfsaktion ins Leben, die den in Not geratenen Handwerkern zu Gute kommen sollte. Nach Auffassung von Schulze-Delitzsch war eine nachhaltige Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen nur durch den Zusammenschluss einzelner, schwacher Einheiten und den Abbau von Fremdbestimmung zu erreichen. Nach den Grundsätzen der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung gründete er 1849 die ersten »Rohstoffassoziationen« für Tischler und Schuhmacher und 1850 den ersten »Vorschussverein« – den Vorläufer der heutigen Volksbanken.